20 Tage wandern im Himalaya-Gebirge! Ich erzähle dir über meine Erfahrungen und gebe dir 8 hilfreiche Tipps weiter.
Okay, you need sticks! We walk now for 20 days.
Angekommen in Nepal, ohne vorab etwas gebucht zu haben, lernten wir bereits am ersten Tag den supernetten Guide Kumar kennen. Englisch sprechen konnte er zwar nicht viel, doch sein Lachen hat vieles wieder wettgemacht und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Die zwei Tage vor dem Start der Wanderung haben wir für die letzten Vorbereitungen benötigt. In Kathmandu gute Schlafsäcke zu kaufen, war zum Glück kein Problem und ich wurde auch fündig für Wanderstöcke und Spikes für an die Schuhe. Eventuell wird es eisig unterwegs.
Na gut, somit hatte ich alles zusammen, der Rucksack war gepackt und Tag 1 von unserer Annapurna-Umrundung brach an. Von Pokhara brachte uns ein Bus zum Ausgangspunkt der Wanderung. Viele Wanderer, welche hier ausgestiegen sind, haben dann einen weiteren Privatjeep genommen, um die ersten Höhenmeter abzukürzen. Wir wollten aber das volle Programm und die ersten drei Tage als Akklimatisierung benutzen. Ein stärkendes Dhal Bhat später ging es auf 760 Metern über Meer auch bereits los. Trekkingstöcke habe ich zuvor noch nie wirklich benutzt und so habe ich sie beim Start auch am Rucksack belassen. Doch ich werde die Worte von Kumar nie vergessen: «Okay, you need sticks! We walk now for 20 days.» Okay! Verstanden. Das war ein guter Startschuss.
Die ersten Tage waren relativ easy. Es war eine gute Zeit für die Angewöhnung an den Rucksack und an meine Barfussschuhe. Ja, richtig gelesen, ich legte die 20 Tage mit labbrigen Barfussschuhen zurück, welche nur einen minimalen Knöchelhalt haben. Jedoch sind meine Füsse bereits an solche Schuhe gewöhnt, obwohl ich damit noch nie grosse Distanzen zurückgelegt habe. Wird schon schiefgehen.
Da das Trekking der Start meiner Weltreise war, habe ich bereits sparsam probiert zu packen. Die Ausrüstung bestand aus einem 60-Liter-Trekkingrucksack, Trekkingstöcken, Barfuss-Wanderschuhen, 40 Proteinriegeln, einer 1-Liter-Filterflasche, Taschenlampe, Mütze, Handschuhen, Daunenjacke, Fleece, Wanderhose und einigen T-Shirts zum Wechseln. Ganz wichtig: nie zu wenig Unterhosen und Socken mitnehmen. Davon hatte ich definitiv genug. Schon nur, weil ich beim Wandern normalerweise zwei Paar Socken (ein dünnes und ein dickes Paar darüber) trage, um Blasen zu vermeiden. Natürlich fand auch weiterer (un-)nötiger Krimskrams in meinem Rucksack Platz, neben den Toilettenartikeln.
Vorab dachte ich mir, dass ich ganz gut gepackt habe. Wohl eher ein wenig auf der sicheren Seite, aber wahrscheinlich nicht allzu viel. Doch nun müsst ihr euch Folgendes vorstellen:
Ihr steht mit eurem 60-Liter-Rucksack am Busbahnhof bereit. Links die Wanderstöcke angeschnallt, rechts die ultrateure Filterflasche. Den Fleece habt ihr lässig um den Bauch gebunden und die wärmende Mütze bereits auf dem Kopf. Ihr wisst sogar ganz genau, wo eure Spikes sind, denn der Busbahnhof könnte ja bereits eisig sein. 😉 Die Rucksackhöhe reicht ungefähr vom Boden bis zu euren Hüften. Mit dieser Ausrüstung wartet ihr auf euren Guide Kumar. Dann ist Kumar im Anmarsch. Ganz lässig, mit einem Holzstock in der Hand, einem dünnen Streifenpullover und einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Als Erstes hat er uns sogleich zu Schwarztee mit Zucker und Pfeffer eingeladen. Doch irgendwie war ich verwirrt, denn Kumar hatte lediglich seinen bereits erwähnten Holzstock dabei und einen kleinen, maximal 20-Liter-Rucksack. In der Schweiz würden wir dem sogar eher "Rucksäckli" sagen.
Die darauffolgenden Tage stellte sich dann heraus, dass ich definitiv zu viel eingepackt habe. Na gut, selber schuld. Die 12 Kilo muss ich wohl oder übel über den Pass schleppen. Aber: Lektion gelernt. Kumar ist definitiv mein Vorbild, wenn es um minimalistisches Packen geht.
Also gut, nun sind die Schuhe eingelaufen, der Rucksack sitzt mittlerweile perfekt am Rücken und der regelmässige Tagesablauf ist verankert. Das ist wichtig für die Routine und für die Planung der nächsten Etappen. Es tut auch dem Geist und dem Körper gut, wenn er bei dieser Anstrengung immer einen ähnlichen Ablauf hat. Jeden Tag hatte ich Porridge mit Apfel und Honig zum Frühstück. Das eine Mal, als ich mich für frittierte Brötchen entschied, war mir den ganzen Morgen über übel. Zum Mittagessen ass ich die ganzen Tage durchgehend das nahrhafte Dhal Bhat. Ein nepalesischer Currymix mit viel Proteinbeilagen und Reis. Regelmässige 5-Minuten-Pausen, um etwas zu trinken, waren wichtig für den Erfolg. Die kurzen Pausen konnte ich nutzen, um mein Equipment zu richten, Schichten an- oder auszuziehen und um die Beine zu entspannen. Etwa alle zwei bis drei Stunden machten wir eine längere Teepause. Dieser Rhythmus war sehr angenehm und ich hatte nie starke Müdigkeitserscheinungen.
Neben der energiereichen Ernährung war der Schlaf das Wichtigste. Obwohl es in gewissen Nächten eisigkalt war im Zimmer und ich teilweise zwei zusätzliche Decken zu meinem Schlafsack nutzen musste, schlief ich jede Nacht wunderbar. Das lag wohl unter anderem an der frischen Bergluft und natürlich auch an den anstrengenden Tagesetappen. Keine Blasen, keine sonstigen offenen Stellen und generell hatte ich keine grossen gesundheitlichen Probleme. Vielleicht hatten die eiskalten Duschen einen Einfluss, welche es ab und zu gab. Ehrlicherweise willst du aber ab einer gewissen Höhe und Kälte gar nicht mehr duschen.
So lief jeder Tag ähnlich ab. Selbstverständlich genoss ich die grandiosen Aussichten und habe den spirituellen Vibe im Himalaya-Gebirge aufgesogen.
Generell hatte ich keine Bedenken vor der Wanderung, lediglich die Höhe könnte ein Endgegner sein. Denn ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren würde. Zuvor haben wir uns mit der Höhenkrankheit auseinandergesetzt und auch Kumar hat das gleich zu Beginn thematisiert. Grundsätzlich galt bei uns spätestens ab 3000 Metern über Meer: «Wandere hoch, schlafe tief.»
Wir schliefen an einem Tag nie mehr als 400 Meter höher, als wir es am letzten Tag gemacht haben. Während den Etappen haben wir teilweise Höhen überquert, welche diese 400 Meter überschritten haben, aber zum Schlafen ging es wieder nach unten. Die Höhenkrankheit kann sich bereits ab 2500 Metern zeigen und die Symptome reichen von Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Atemnot bis hin zu Hirnschäden. Damit ist also wirklich nicht zu spassen.
Uns wurde von Kumar Folgendes geraten: Neben den Distanzlimiten sollten wir viel heisses Wasser trinken, auf Alkohol verzichten, langsam gehen und einiges an Knoblauch verzehren. Der Knoblauch sei wohl förderlich für den Sauerstofftransport im Blut und die Einheimischen machen das seit jeher so. Denn genau dieser Sauerstoffmangel ist das Problem in höheren Lagen.
Glücklicherweise bin ich verschont geblieben. Während der letzten Nacht, auf 4800 Metern über Meer, hatte ich leichte Kopfschmerzen und schlief sehr unruhig. Da wir aber sowieso wieder um 3 Uhr in der Früh aufstehen mussten, war das kein Problem.
Kleiner Exkurs nach Südamerika: Da ich diesen Beitrag gerade in einem indigenen Dorf auf 3000 Metern über Meer nahe den Anden schreibe, ist das Thema Höhe auch hier aktuell. Hier schwören die Einheimischen nicht auf Knoblauch, sondern auf Coca-Blätter. Ja, aus diesen Blättern wird durch spezielle Verfahren auch Kokain hergestellt. Bei uns sind sie verboten, doch hier oben werden sie fast unbedenklich verzehrt und überall angeboten. Ich probierte sie in Form von Tee und Bonbons, jedoch können sie auch einfach im Mund zerkaut werden.
Zurück nach Nepal. Neben den natürlichen, vorbeugenden Massnahmen gibt es auch Tabletten, welche vorbeugend wirken. Wir wollten auf Chemie verzichten und haben daher lieber eine Knoblauchfahne in Kauf genommen.
Die Passüberquerung auf 5416 Metern über Meer war aber trotzdem nicht ohne. Im Schneckentempo haben wir die letzten Höhenmeter erklommen. Die Geschwindigkeit war uns egal, wir wollten es einfach schaffen. Was danach folgt, haben wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bedacht: ein Abstieg von ca. 1200 Metern gleich nach dem Erreichen des Passes. Aber das war schlussendlich halb so wild. Meine Knie haben es mir jedoch trotzdem gedankt, als ich abends müde ins Bett fiel.
Übrigens war es für mich kein Problem, diese Route mit Barfussschuhen zu absolvieren. Falls du auch darüber nachdenkst, rate ich dir aber, deine Füsse mehrere Monate vorab bereits an diesen Laufstil zu gewöhnen.
Diese ganze Erfahrung war wirklich ein einmaliges Erlebnis. Die Unterkünfte waren sehr basic, das Essen immer dasselbe, aber jedes Mal spitze. Die elend langen Treppen waren teilweise wirklich herausfordernd. Doch gleichzeitig hatte ich Zeit, um meine Gedanken zu ordnen, die frische Luft hat meinen Schlaf enorm verbessert und ich habe gute Bekanntschaften gemacht. Ein ganz spezielles Outdoorerlebnis. Irgendwann werde ich zurück nach Nepal reisen, um weitere Wanderrouten in Angriff zu nehmen.
Wer weiss, vielleicht auch einmal zusammen mit dir und im Namen der Outdoorbude.